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johan von ilten

Von einem, der auszog, um das Handwerk des Keksebackens zu lernen

Meine Geschichte

hamburg

des ende beginnt hier

Es war ein kalter, grauer Novembermorgen. Der feine Regen, wie es ihn nur im Norden Deutschlands gibt, legte sich langsam auf unser Gesicht und unsere Kleidung, wie eine zweite, samtig kalte Haut. Wir fuhren mit unserer 10 Monate alten kleinen Tochter für einen kurzen Wochenendurlaub nach Hamburg, der Stadt, die unsere Sehnsucht nach Meer, Urlaub und Erholung schon so oft gestillt hatte. Die Autofahrt führte uns entlang einer von Bäumen und Feldern gesäumten Autobahn. Hin und wieder tauchten große Windräder im dichten Nieselregen auf. Wir hatten es uns bei leiser Musik, etwas Tee und selbstgebackenem Gebäck, von dem ich bis dahin noch nicht wusste, dass es einmal unser Leben völlig auf den Kopf stellen würde, im Auto gemütlich gemacht. Draußen war es kalt, und im warmen Inneren schlummerte unsere Tochter selig im Babysitz, so als wüsste sie schon, dass uns ein erholsames Wochenende bevorstehen würde.

In Hamburg angekommen, checkten wir in unser damaliges Lieblingshotel ein. Ein modernes, aber schon etwas in die Jahre gekommenes Hotel mit einer Lobby, die bis unter das Dach reichte und in der man sich wie in einem Innenhof, umgeben von lauter kleinen Wohnungen, fühlte. Es hatte schlichte, in Beige- und Brauntönen eingerichtete Zimmer, die einen zurückhaltenden Luxus ausstrahlten. Das Highlight für uns war jedoch immer das große, weiche Bett inmitten des Zimmers und die freistehende orangene Badewanne hinter einer Glasscheibe, abgetrennt vom Schlaf- und Wohnbereich. Im Untergeschoss gab es zudem ein kleines Schwimmbad mit kuschligen, mit Kissen verkleideten Sitznischen, in denen man nach dem Schwimmen bei einem frischen Glas Zitronen- oder Ingwersoda verweilen konnte. Auch gab es eine Dampfsauna, die gerade bei diesem nassen Wetter Leben in die kalten Glieder zurückbrachte.

hohe bleichen

"das kann ich besser"

Nach dem Auspacken machten wir uns auf, die Stadt zu erkunden. Da wir beide uns sehr für Mode und schöne Dinge begeistern konnten, gingen wir wie immer auf die „Hohe Bleichen“, unweit von unserem Hotel entfernt. Die „Hohe Bleichen“ ist eine Straße, die deutlich höher liegt, als der Rest der Innenstadt, und man erreicht sie auch nur von drei Seiten über eine recht steil ansteigende Straße. Unsere Tochter hatte ich mir in einer Babytragetasche vor die Brust geschnallt und genoss ihr freudiges Strampeln und Gluksen ob unseres Ausfluges. In der „Hohen Bleichen“ finden sich Geschäfte bekannter Luxusmarken mit ausgewählten Dingen und angesagter Mode und natürlich auch unser damaliges Lieblings-Delikatessengeschäft für Süßigkeiten. Meine Frau und ich lieben Süßigkeiten, und gerade in diesem Geschäft gab es immer einen speziellen Nougat, welchen wir nur dort bekamen.

Immer wenn wir in Hamburg sind, besuchen wir dieses Geschäft und kamen auch das ein oder andere Mal mit dem Besitzer ins Gespräch. Dieses Mal zeigte uns der Inhaber eine spezielle Sorte an Cantuccini aus Italien, die er uns zur Verkostung gab. Wir probierten natürlich freudig, mussten jedoch beide enttäuscht feststellen, dass sie so gar nicht nach unserem Geschmack waren. Auf die Frage des Inhabers, ob uns die Cantuccini nicht schmecken würden, polterte es aus mir heraus: „Das kann ich besser.“

Dazu muss ich nun sagen: Ich habe als Kind schon gerne Pralinen zu Weihnachten für meine Patentanten und -onkel hergestellt oder Kekse gebacken, aber das war bisher nie der Rede wert und weit von schmackhaften Kreationen entfernt, geschweige denn, dass sie sich mit diesen eben noch von mir verkosteten Cantuccini hätten messen können. Und damit nicht genug. Als mich der Inhaber etwas ungläubig fragte, wie ich das denn meinte – „Ich könne das besser“ – hörte ich mich nicht sagen: „Ach du, das ist mir so rausgerutscht, und dafür entschuldige ich mich auch. Ich kann gar nicht so gut backen, vergiss es einfach…“ Nein, ganz im Gegenteil: Zu meinem Erstaunen über mich selbst hörte ich mich sagen: „Ich backe selber auch Cantuccini und beliefere schon einige italienische Restaurants in Hannover damit. Ich kann dir gerne mal eine Tüte zum Probieren zukommen lassen.“

Überrascht und zugleich neugierig gab er mir zu verstehen, dass er sich sehr über eine Kostprobe meiner Cantuccini freuen würde. Ich bedankte mich und versprach, ihm bald die Cantuccini zukommen zu lassen. Nach dem Gespräch schlenderten wir noch eine Weile durch das Geschäft, kauften unseren geliebten Nougat, zahlten und machten uns auf den Weg nach draußen. Dabei spürte ich, wie die Selbstsicherheit, die mich eben noch erfüllt hatte, allmählich einem Zittern in den Beinen und einer leichten Benommenheit wich. Meine Frau stand neben mir, lächelte mich an, während sie mir half, unsere Tochter aus dem Babytragegurt zu befreien, und sagte nur: „Na, dann wünsche ich dir viel Freude beim Backen!“ und grinste bis über beide Ohren. „Und gib mir mal unsere Tochter, bevor du mit ihr jetzt umfällst.“

Ich fiel nicht, aber was ich nicht ahnen konnte war, dass sich mein Leben nun komplett verändern würde.

hannover

wieder zu hause

Hamburg hatte nun plötzlich seine Leichtigkeit verloren, und wieder zu Hause kreisten meine Gedanken nur noch um diese eine Sache … wie in aller Welt backe ich nun bessere Cantuccini als die, die ich noch vor kurzem in unserem Lieblings-Süßigkeiten-Geschäft in Hamburg gegessen hatte?

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich ja schon vielen selbstgewählten Herausforderungen in meinem Leben gestellt. Noch vor wenigen Jahren gab ich meine Karriere als Neurochirurg auf, um mich nach der Trennung von meiner ersten Frau um unseren gemeinsamen Sohn zu kümmern. In dieser Zeit versuchte ich, mich mit verschiedenen selbstständigen Projekten über Wasser zu halten: Ich entwarf eigene Möbel, entwickelte und vertrieb eigens von mir entworfene Schreibgeräte und versuchte mich in der Gestaltung von Websites sowie der Entwicklung von Corporate Designs für kleine Unternehmen. Ich brachte mir alles selbst bei und war hochmotiviert. Doch immer, im Unterschied zu dieser Aufgabe, mit der Möglichkeit, auch im Ergebnis zu scheitern. Dieses Mal hatte ich jedoch die Messlatte so hoch gelegt, dass ein Scheitern keine Option war.

Während ich so meinen Schreibtisch aufräumte, um einen klaren Kopf zu bekommen – oder besser gesagt, um mich vor der konkreten Aufgabe des Backens der besten Cantuccini der Welt zu drücken (wie auch ohne Rezept?) – begann ich mich zu fragen, wie ich diese Herausforderung meistern könnte.

Wie durch einen Zufall, fiel mir beim Aufräumen ein altes Rezept meiner Großmutter in die Hände. Es war kein Cantuccini-Rezept, aber eines für Mandelkekse, die mir früher immer so gut bei ihr geschmeckt hatten. Eine Viertelstunde später stand ich nun im benachbarten Supermarkt, mit einer Einkaufsliste in der Hand, voller Tatendrang und Zuversicht für mein neues Projekt. Ich kaufte alles genau so ein, wie es im Rezept stand, und machte mich schnurstracks wieder auf den Heimweg. Zu Hause angekommen, begann ich sofort mit dem Abwiegen und Vermischen der Zutaten, formte die Teiglinge zu langen Strängen und schob sie in den Backofen. Der Duft, der sich schon nach wenigen Minuten in unserer Küche verbreitete, ließ mich hoffen und fröhlich stimmen. Zur angegebenen Zeit nahm ich die wohl gebräunten Stränge aus dem Backofen, ließ sie ein wenig abkühlen und begann dann, sie in daumenbreite Stücke zu schneiden. Sauber nebeneinander aufgereiht, kamen sie ein zweites Mal zum Trocknen in den Ofen. Nach einer halben Stunde nahm ich sie heraus und war nun sehr gespannt auf das Ergebnis.

Kennen Sie das? Ihre Großmutter hat Ihnen eine Rezeptsammlung der schönsten Kindheitserinnerungen in Form von Kuchen, Torten und Nachspeisen hinterlassen, und Sie wollen eines dieser Rezepte wieder aufleben lassen – doch was Sie auch versuchen, es gelingt Ihnen nie, dass es so schmeckt wie zu Lebzeiten Ihrer Großmutter? Genau diese Enttäuschung verspürte ich, als ich von einem dieser Cantuccini abbiss. Sie waren hart und kompakt, schmeckten trocken, und nichts erinnerte an die Leichtigkeit von Italien, Sonne und Meer.

hannover

wiederholung macht den meister

Die Geschichte hätte nun hier zu Ende sein können, doch mein Versprechen wollte ich einlösen. Vielleicht würde ich nicht auf Anhieb die besten Cantuccini der Welt backen, aber wenigstens solche, die vergleichbar waren mit denen aus Hamburg. Mein Ehrgeiz war also entfacht. Ich veränderte die Rezeptur, spielte mit den Zutaten, buk und trocknete die Cantuccini mal länger, mal kürzer, knetete oder rührte den Teig, schnitt sie mal dünner, mal dicker, längs oder quer. Viele Stunden vergingen, und am Ende sollte es gelingen.

Nun machte ich mich an die Verpackung. Design und das Spiel mit Farben, Formen und Schriften liegen mir und machen mir Freude. Noch heute gestalte ich all meine Verpackungen selbst. Da es Handarbeit war, sollte auch die Verpackung danach aussehen. Man sollte das Gebäck zudem sofort sehen können, um schon von außen auf den Geschmack zu kommen. Also verpackte ich die Cantuccini in eine durchsichtige Tüte, band diese mit einer rosafarbenen Kordel zu und versah sie mit einem gesiegelten Etikett, das bis heute unser Familienwappen darstellt. Ich verpackte die Tüte sorgfältig, legte noch ein paar freundliche, handgeschriebene Zeilen dazu und schickte alles auf den Weg nach Hamburg.

hannover - hamburg

ein anruf mit folgen

Ich war erleichtert, dass ich nicht aufgegeben hatte und noch etwas in meinen Augen Ordentliches zustande gebracht hatte. Ein, zwei Tage malte ich mir noch aus, was der Hamburger Süßwarenhändler wohl zu meinen Cantuccini sagen würde, doch als ich nach drei Tagen nichts von ihm hörte, war ich ein wenig enttäuscht, aber auch irgendwie erleichtert, dass die Geschichte hier wohl enden würde. Ich war meinem Versprechen nachgekommen, und damit sollte es gut sein. Nun konnte ich mich wieder meiner eigentlichen Arbeit – dem Designen von Schreibgeräten und der Betreuung unserer Kinder – zuwenden.

Weitere drei Tage später klingelte mein Handy, und „ER“ war dran. Er fasste sich kurz und sagte nur: „Johan, du kannst das wirklich besser!“ Ich war überrascht, damit hatte ich nicht mehr gerechnet. Er fragte mich, ob ich Lust hätte, auch für ihn Cantuccini zu backen. Er habe drei Geschäfte und würde sich freuen, diese dort verkaufen zu können. Nach einer Nacht Bedenkzeit und einem Angebot, von dem ich glaubte, dass er es niemals annehmen würde, kamen wir ins Geschäft.

Von da an machte ich mich auf den Weg, das Handwerk des „Keksebackens“ zu lernen und zu perfektionieren. Das Ergebnis meiner Reise können Sie nun hier entdecken. Ich wünsche Ihnen viel Freude mit meinen Köstlichkeiten und danke auch meiner Frau und unseren Kindern für ihre Geduld, Unterstützung und Nachsicht mit mir.

🍪 Ihr Johan von Ilten 🍪

cantuccini naturale

2007